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Outville Frauencamps Winter(17)

Bauleiterinnen an der Pole Dance Stange

Von Mountainbiken bis Freeriden – für jede Sportart gibt es mindestens ein Women’s oder Girls Camp. Frauen machen anders Sport, sagen die Veranstalter. Für Outville Textchefin Kaddi Kestler gibt es aber ganz andere Gründe, an Frauencamps teilzunehmen. Nur, was hat eine Bauleiterin an der Pole Dance Stange damit zu tun?!?

Gestern beim Skifahren: Ich will gerade vom Gelände zurück auf die Piste, da spricht mich ein Typ an, der am Pistenrand steht: „Du fährst aber sauber Ski! Das sieht man nicht so oft bei einer Frau!“ Ich bringe es gerade so zu einem verlegenen „Haha, danke!“

Eine Sesselliftfahrt später, ärgere ich mich, dass ich nicht so etwas schlagfertiges gesagt habe wie: „Danke, aber vielleicht kennst du die gut skifahrenden Frauen einfach nur nicht!“

Zwei Sesselliftfahrten später, denke ich, dass er es ja nur nett gemeint und (leider) auch irgendwie recht hat. Denn es fahren einem eben nicht dutzende motivierte Freeride-Skifahrerinnen vor der Nase davon, kaum steigt man aus der Gondel aus. Lange kannte ich gar keine und war meistens mit meinen Partnern skifahren oder mountainbiken.

Neulich hätte ich dann fast einen internationalen Feiertag beantragt: Ich war mit fünf (!) sehr guten Skifahrinnen freeriden. Sechs Frauen im Powder! Ich konnte mein Glück kaum fassen. Die anderen Besucher des Skigebiets waren irritiert bis amüsiert über die Truppe, die trotz schlechtestem Wetter permanent Freudenquietscher ob des feinen Powders von sich gab. Doch woher hatte ich die anderen fünf plötzlich? Einen Teil kenne ich durch die Munich Mountain Girls. Die Community will Frauen vernetzen und inspirieren, in die Berge zu gehen. Einen anderen Teil, habe ich auf Frauencamps kennengelernt.

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©Alena Paschke

Jedem Sport sein Women’s Camp

Egal ob Gela Allmanns Ladies Skitouren Tag, Women’s Health Camps, Women’s Langlauf Camps, die Shades of Winter Camps von Sandra Lahnsteiner, Rennrad Camps, Klettercamps oder Surfcamps – die Auswahl an gegenderten Sportveranstaltungen ist riesig. Wirklich jeden Sport kann Frau an organisierten Wochenenden mal mit mal ohne Yoga, mal in teureren, mal in weniger exklusiven Hotels und manchmal sogar mit Kinderbetreuung unter ihresgleichen betreiben. Über die Sinnhaftigkeit des Sporttreibens unter Ausschluss von Menschen mit einem Y-Chromosom gibt es ein paar landläufige Annahmen:

– Frauen unterschätzen sich häufig, wollen andere nicht aufhalten und fühlen sich deshalb schnell gestresst.

– Frauen haben mehr Angst, sind vorsichtiger und übertreiben es seltener.

– Frauen sind nicht so wettbewerbsorientiert, müssen sich nicht so sehr vergleichen.

– Frauen lernen besser, wenn keine Testosteron-Typen den Druck erhöhen.

Und so weiter, und so fort. Das Klischee lässt grüßen.

Frauen sind auch nur Menschen

Und sicher ist an den Klischees wie immer auch mindestens ein Gramm Wahres dabei. Und dieses Gramm ist bei der einen mehr, bei der anderen weniger der Grund, sich für ein Frauencamp anzumelden: „Unter Frauen geht es einfach relaxter zu, da gibt es nicht so den Drang sich gegenseitig zu überbieten. Sie sind hilfsbereiter untereinander und motivieren sich mit mehr Feingefühl“, sagt Sabine Enzinger von Elements Outdoor Sports in Leogang, die Girls und Ladies Downhill und Enduro Camps anbietet.

Aber manchmal stimmen Klischees eben so gar nicht, wie ich bereits bei einem meiner ersten Camps gelernt habe. Es hatte den Titel: Pro Camp. Anforderung: Skitouren-Erfahrung und Kondition für mindestens vierstündige Aufstiege. Beides hatte ich und doch haderte ich etwas, mich bei diesem „Pro“ Camp anzumelden. Doch es waren dann tatsächlich auch Frauen dabei, die NOCH NIE eine Tour gegangen sind und für die der komplette Ablauf umgestellt werden musste – von wegen chronische Unterschätzung und übertriebene Bescheidenheit. Viel Blabla und wenig dahinter, das können „wir“ schon auch. Frauen sind eben auch nur Menschen.

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©Sebastian Hofer

Weg mit den Klischees!

Trotzdem kommt auch mein Denken bis heute leider nicht ganz ohne Klischees und Schubladen aus. Deshalb war ich zum Beispiel schwer gespannt auf die Frauen beim Bike and Pole Dance Camp im Mama Thresl in Leogang vergangenen Sommer. Es war auch schon bei mir angekommen, dass Pole Dance so etwas wie ein anerkannter Sport oder zumindest ein Trend ist, vor dessen Anhängern und ihrer Körperbeherrschung ich großen Respekt hatte. Dennoch habe ich in meinem Kopf die Fullface und Vollgas Fraktion nicht mit der Stangenakrobatik Fraktion in Einklang bekommen.

Und tatsächlich waren die meisten, die gut an der Stange waren, Anfängerinnen auf dem Rad – und umgekehrt. Aber ein, zwei Frauen, wie zum Beispiel Tina, waren in beiden Sportarten fortgeschritten. Am Pole gefällt Tina die Akrobatik, das Ganzkörpertraining. Fürs Biken trainiert sie dabei ihre Core-Muskeln. Einen Clash zweier krasser Klischees? Den sieht sie gar nicht, genauso wenig wie die rothaarige und tatöwierte Natalie, die schon zum zweiten Mal dabei ist. Denise, eine Bauleiterin aus der Schweiz, weit über dreißig Jahre alt, ist dafür verantwortlich, dass es das Camp überhaupt gibt: Bei einem anderen Bikecamp hat die damals schon bekennende Pole Dancerin einen Sturz derart elegant umgewandelt, dass man sich einig war, dass Pole gut fürs Biken sein muss – und schwupps war die Idee geboren.

Nach dem Camp wusste ich, dass halbnackt an einer Stange performen, nicht nur ein krasses Training ist, wie ich schon vermutet hatte, sondern auch ziemlich gut fürs Ego sein kann. Vielleicht ist es – und entschuldigt, wenn ich euch jetzt etwas hoch greife – sogar ein feministischer Akt a la „Scheiß auf die Zellulite, die sich rausdrückt, wenn du mit dem Oberschenkel einklemmst. Schau lieber hier, meine krassen Bauchmuskeln!“

Her mit den Vorbildern!

Egal ob die Pole dancende Bauleiterin, die Zahnärztin, die in den 80ern aus der DDR geflohen ist und neben dem Studium Zwillinge großgezogen hat, die Geschäftsführerin ihres eigenen Insolvenzbüros, die ihren Mann im Robinson Single Club kennengelernt, mit über 40 noch zwei Kinder bekommen hat und in glitzernden Ugg Boots zum Frühstück kommt oder die Beraterin, die in einer DER Consultingagenturen ganz oben auf der Karriereleiter steht und sagt, sie hat sich als Frau noch nie benachteiligt gefühlt. Bei Frauencamps wie den Kästle Powder Department Ladies Days, den Women’s Progression Days von Freerideweltmeisterin Lorraine Huber oder dem Women Pro Mountainbike Camp in Davos habe ich Frauen kennengelernt, die ich sonst niemals getroffen hätte – mit denen die einzige gemeinsame Schnittmenge die Leidenschaft fürs Skifahren ist. „Man kann sich sehr viel mit nehmen. Nicht nur Tipps für den Sport, sondern vor allem auch Zwischenmenschliches,“ sagt Melissa Presslaber, die als ausgebildeter Bikeguide, Skilehrerin und Skiführerin bei vielen Frauencamps wie den Women's Progression Days dabei ist.

Her mit den Freundinnen!

Die Camps haben mir einen Blick aus meiner eigenen, beschränkten Blase erlaubt und mir gezeigt, wie viele weibliche Lebensmodelle es gibt, die in keine Klischeeschublade passen. Und sie haben mir natürlich auch gezeigt, wie viele Frauen unfassbar gut Skifahren oder Mountainbiken. „Es ist doch wahnsinnig inspirierend, wenn Frauen neben dir, vor dir und hinter dir fahren, die richtig gut auf dem Ski stehen! Dann hat man das direkte Bild vor Augen. Wenn ein Mann das macht, ist das ja klar, dass er so gut, so schnell, so solide fährt,“ sagt Freeride Weltmeisterin Lorraine Huber. Ein paar dieser Frauen sind zu Freundinnen geworden – über das jeweilige Camp und sogar über den Sport hinaus. JEDE sollte also mal an einem Frauencamp teilnehmen. Weil Frauencamps nicht nur die eigenen Skills, das eigene Selbstvertrauen, sondern vor allem auch den eigenen Horizont erweitern – und die WhatsApp-Gruppe für den Powder-Chat.

Zum Schluss noch einen schönen Gruß an den Typen vom Pistenrand: Mein Freund kennt mittlerweile mehr sehr gute Skifahrerinnen als Skifahrer. :)

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