Davos schön ist!

Da, wo’s schön ist. Eigentlich stimmt das berühmte Wortspiel nicht ganz, denn der Ort Davos ist nicht sonderlich hübsch. Die Trails, die ihn umgeben, machen das aber um Längen wett. Nicht nur deswegen sollte jeder ambitionierte Mountainbiker Davos einen Besuch abstatten.

„Schweizer Trails, I love you! Also bitte, wann fährt man bei uns oder in Österreich mal sowas? Nie oder?!“ sagt Kathi Kypers mit einem breiten Grinsen, als wir am Ende eines Trailabschnitts ankommen. Welcher der vielen Trails, die wir an diesem Juli-Wochenende beim Women’s Pro Camp in Davos von fiedler concepts gefahren sind, sie so begeisterte, weiß ich nicht mehr. Aber er war in jedem Fall sehr typisch für die Davoser Gegend. Und Kathi Kuypers muss es wissen: Die bayerische Profi-Mountainbikerin hat schon die ganze Welt mit ihrem Bike bereist und nimmt sicher mehr Trails unter die Reifen als jeder Hobbymountainbiker.

Weil die Natur abwechslungsreicher ist als jeder Bike Park

Kurz vorher haben wir auf Wiesen gejauchzt vor Flowfreude, mussten uns an steilen, felsigen, verblockten Stellen in alpinem Gelände voll konzentrieren und in engen Kurven unser ganzes Können auspacken. Nach einer kurzen Verschnaufpause ging es dann über schwierige Wurzelteppiche und Stufen durch einen Wald zurück nach Davos. Der Trail hat uns wirklich alles geboten und alles abverlangt. Wie eigentlich alle Trails in Davos.

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Aber wann fährt man sowas mal bei uns?! Eher selten bis gar nicht. Denn hier in Deutschland und auch im benachbarten Österreich versucht man Mountainbiker zu kanalisieren auf künstlich angelegten Trails, die man tunlichst nicht verlässt. Das ist zum einen nicht nur sehr teuer und pflege aufwändig, sondern für viele Mountainbiker eine unbefriedigende Lösung. Denn kein Bikepark ist so abwechslungsreich wie die Natur, kein Bikepark liefert ein so perfektes Gesamtpaket. Doch außerhalb der Parks und ausgewiesenen Trails sind die rechtlichen Bestimmungen schwammig, überall unterschiedlich und haben höchstens gemein, ziemlich veraltet zu sein. In Österreich ist Mountainbiken zum Beispiel streng genommen überall verboten, wo es nicht explizit erlaubt ist.

Trail Tolerance – Wanderer und Mountainbiker in friedlicher Koexistenz

In Davos setzt man stattdessen seit Jahren mit Erfolg auf Trail Tolerance: Wanderer und Mountainbiker teilen sich dieselben Wege. Das geht natürlich nur mit gegenseitige Verständnis, das man nicht erzwingen kann. Aber die Tourismusverantwortlichen der Region machen ihre Hausaufgaben und klären beide Parteien zum Beispiel auf ihrer Website und mit Hinweisschildern am Eingang der Trails auf. Auch Andy, unser Guide beim Women’s Pro Camp, appelliert direkt nachdem er sich vorgestellt hat an unser Verständnis für die langsameren und häufig auch älteren Wanderer: „Je nachdem wie alpin das Gelände ist, in dem wir unterwegs sind, möchte ich, dass auch wir mal absteigen und auf die Seite gehen. Es muss nicht immer der Wanderer ausweichen!“ Solange kein Event stattfinde, mit großen Massen an Mountainbikern, die vor lauter Fokussierung auf einen Wettkampf, im Tunnel sind und nichts um sich herum wahrnehmen, funktioniere das Konzept sehr gut, meint Andy.

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Alps Epic Trail vom Jakobshorn nach Filisur

Und der Selbsttest bestätigt das: Im vergangenen Jahr habe ich Davos einen ersten Besuch abgestattet – ausgerechnet am Schweizer Bundesfeiertag, dem 1. August wollten wir den 40 Kilometer langen Alps Epic Trail vom Jakobshorn nach Filisur fahren. 2014 hat die IMBA, die International Mountain Bicycling Association, dem Trail das Prädikat Epic verliehen. Nur eine handvoll Trails in Europa tragen diese Qualitätsauszeichnung und in Mountainbike Foren und Zeitschriften liest man der Alps Epic Trail trage sie zurecht: Außer grandiosen Ausblicken schenke er einem gar nichts, denn auch wenn er technisch nicht sehr schwierig ist, fordern Wurzeln und verblockte Stellen bergab wie bergauf volle Konzentration. Auch als guter Biker habe man an dem Trail einen ganzen Tag zu knabbern – sowas gäbe es sonst kaum in den Alpen. Klar, dass ich diesen Trail fahren wollte, fahren MUSSTE.

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Als ich dann an diesem ersten August allerdings die Massen an Fahrrädern in der ersten Gondel hoch zum Jakobshorn sah, verging mir die Vorfreude. Wie soll das gehen? Und dann auch noch mit den ganzen Wanderern? Überraschenderweise ging es: Die Mountainbiker haben sich auf dem riesigen Spielplatz rund um Davos so verteilt, dass man nie jemandem am Hinterreifen klebte und auch nicht das Gefühl hatte, gleich überrannt zu werden. Die Wanderer schimpften nicht, im Gegenteil, sie schienen sich über die zweirädrige Gesellschaft auf ihrem Weg sogar zu freuen. Und genauso war es beim Women’s Pro Camp – wobei da sicherlich die Vielzahl der bikenden Frauen allein schon für Begeisterung sorgte. Dennoch: Auch wenn ich kein schwarzes Schaf bin, immer bremse und an Wanderern langsam und rücksichtsvoll vorbei fahre, dabei in der jeweiligen Landessprache Servus, Griasdi, Pfiadi, Merci vielmal oder Danke sage, vielleicht auch einen gewissen Frauenbonus habe, habe ich das so noch nirgends erlebt. Die Begegnung zwischen Wanderern und Bikern, die andernorts zu Trailsperren, oder sogar Fallen auf den Trails und Gerichtsverhandlungen führt, ist in Davos nur von Freude über den gemeinsamen und geteilten Spielplatz bestimmt.

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Davos – das Single Trail Paradies der Alpen

Der Alps Epic Trail hat mich übrigens auch sonst nicht enttäuscht: Er ist genauso wie in einschlägigen Medien beschrieben. Und damit auch so, wie die meisten Davoser Trails:

– nicht total verrückt schwierig, aber durchaus anspruchsvoll, mit der ein oder anderen Herausforderung an Können, Kondition und Mut,

– naturbelassen und von einer täglich eingesetzten Trail Crew aufgeräumt, um Hindernisse bereinigt und mit dem ein oder anderen Anlieger oder Drop versehen – aber eben nicht „totgebaut“,

– die perfekte Kombination aus Flow und technischem Anspruch

– und (auch für fortgeschrittene Mountainbiker) alles andere als langweilig .

Ich wusste nach meinen beiden Davos Besuchen ganz genau, was ich noch trainieren muss, um NOCH MEHR Spaß auf diesen epischen Trails zu haben. Die Region Davos Klosters ist zu Recht für viele DAS Single Trail Paradies der Alpen. Ihr solltet da hin, Davos schön ist – für Mountainbiker.

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Katharina 'Kaddi' Kestler

Journalistin mit fränkischen Wurzeln und Wahlheimat München - liebt die Abwärtsbewegung, egal ob auf Ski oder mit Rädern.

Sebastian ist Ingenieur und Fotograf. Als Schnittpunkt dieses Doppellebens dreht sich bei ihm alles ums Fahrrad: Er hat schon Fahrräder entwickelt, fotografiert sie und ihre Fahrer und arbeitet als Überzeugungstäter an der schönen Zukunft, dass Fahrräder irgendwann zum Mittelpunkt der Mobilität werden. Er lebt in Hamburg, sehnt sich oft nach den Bergen, um dann doch wieder die Weite des Meeres zu vermissen. Seine neueste Liebe ist Bikepacking als perfekte Kombination von Freiheit, Geschwindigkeit und Nähe zur bereisten Kultur.

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