Outville Katharina Kestler Norwegen

Warum mein Leben ohne Kinder nicht immer Bluebird und Powder ist

Zeit für Sport und Outdoor habe ich genug. Der Grund: Ich bin 37 und habe keine Kinder. Und ich will auch keine. Passt also alles? Sollte man meinen, aber manchmal beneide ich Menschen mit Kindern. Schizophren? Entscheidet selbst!

Eine kurze Besprechung mit einem Kollegen steht an, zu Beginn anstandshalber Small Talk.

Er: Na, wie geht’s dir so?

Ich: Mir geht’s gut, viel los. Trainiere gerade für einen Volkslanglauf, nächste Woche flieg' ich nach Madeira. Zwei Tage Biken, sonst mal entspannen. Und wie geht’s dir?

Er (sackt demonstrativ erschöpft in sich zusammen): Is' grad anstrengend bei uns. Ich komm halt gar nicht mehr raus mit den zwei Kleinen. Hoffentlich schaffe ich es im Winter wenigstens mal wieder aufs Snowboard.

Ich fühle mich irgendwie angegriffen

Tausend Mal erlebt. Und wieder weiß nicht so genau, was ich sagen soll – mir würde einiges einfallen von „es war deine Entscheidung“ bis zu „dafür hast du Kinder“. Ich belasse es bei einem Schulterzucken. Solche Gespräche sind sinnlos, da man per Definition als Kinderlose in den Augen der Eltern sowieso nicht den blassesten Schimmer einer Ahnung haben kann, wie das Leben mit Kindern ist. Stimmt vermutlich sogar.

Es ist auch egal, ob ein Gespräch darüber zustande kommt – wir leben ohnehin in verschiedenen Welten. Eine Mauer aus Tomatensoße verschmierten, schreienden Kindern steht zwischen uns. Ihre Welt wirkt auf mich immer wie eine Welt der Selbstlosen. Schau an, ich hab' Kinder, ich kümmer' mich, hab' eine größere Aufgabe, tu' was für die Gesellschaft. Dafür opfere ich meine Zeit, meine Hobbies, sogar meine Persönlichkeit und DU gehst Skifahren – das schreien sie mir jedes Mal entgegen, wenn sie wie der Kollege demonstrativ erschöpft in sich zusammensacken. Sie wollen es vermutlich gar nicht, doch es kommt so bei mir an. Ich fühle mich angegriffen.

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Freier als ich kann man nicht sein

In meiner Welt entscheide nur ich, das Wetter, ab und an mal der Job und selten der Kater vom Vorabend darüber, was ich am Sonntag tue. Dem Hedonismus und Egoismus kann ich einen Thron bauen. Ich kann heute beim Biken am Gardasee und morgen beim Powdern in Japan sein, ohne irgendeine Verpflichtung oder Verantwortung, aber auch ohne, dass jemand auf mich wartet oder mich braucht. Nein, ich muss keine Skitour umplanen, weil das Kind krank zuhause liegt. Ich darf aber auch niemanden ins Bett bringen, der heute unbedingt und ausschließlich von mir Jim Knopf vorgelesen bekommen will. Es wäre auch nicht weiter tragisch, wenn ich mir beim Biken den Fuß breche, ich muss ja kein Baby umhertragen. Ums kurz zu sagen: Ich bin frei. Freier geht kaum.

Ich kann verstehen, dass meine Elternbekannten diese Freiheit vermissen und mich vielleicht darum beneiden. Zwischen ihren Klagen höre ich irgendwie immer ein ganz leises: Mein Leben ist wertvoller als deines. Meine Leistung ist größer, mein Egoismus kleiner. Bilde ich mir das nur ein? Schließlich ist das Leben doch kein Wettbewerb darum, wer mehr leistet oder es schwerer hat. Warum empfinde ich es dann oft so?

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Warum ich keine Kinder will? Weil halt!

Eine mittlerweile gute Freundin fragte noch zu Beginn unserer Bekanntschaft recht unverblümt: Willst du Kinder? Wir haben uns gut verstanden, deswegen fand ich die doch recht private Frage ok. Antwort: Nein. Sie: Warum?

Warum warum? Warum muss ich beantworten, warum ich keine Kinder will? Wenn ich ja gesagt hätte, hätte sie dann auch gefragt? Fragt man das überhaupt: Warum willst du Kinder? Warum hast du ein Kind bekommen? Klingt das nicht sogar schon zu hinterfragend, irgendwie vorwurfsvoll? Und wüssten die Befragten wirklich eine Antwort? Oder ist der Wunsch nicht einfach da, so wie der Nicht-Wunsch auch einfach da sein kann?

Ich weiß in jedem Fall nicht, warum ich keine Kinder will. Es ist so seit ich irgendwas um die zwölf Jahre alt war. Ich wollte nicht heiraten und keine Kinder kriegen. Alle dachten natürlich, das gibt sich noch, verwächst sich wie der Babyspeck. Aber es war nicht so. Bis heute habe ich keinen Kinderwunsch, was ich halbjährlich aufs Neue meiner Frauenärztin erklären darf, denn „langsam wird es ja dann auch schwierig“. Und immer dabei, dieser seltsame Reflex sich für diesen Nicht-Wunsch entschuldigen, oder zumindest erklären zu müssen – weil „normal ist das ja nicht…“. Wie oft habe ich mir schon gedacht: Warum kann ich nicht einfach Kinder wollen wollen?!?

Natürlich kann ich mir für den nicht existenten Kinderwunsch Argumente zusammen sammeln. Von: Ich möchte keine Kinder in diese kaputte Welt setzen. Über: Ich bin Perfektionist, ich hätte ständig Angst was falsch zu machen. Bis zu: Ich kann mir einfach nicht vorstellen, mein Leben so umzustellen. Das würde schon alles irgendwie passen, wäre aber nicht der eine, wahre Grund. Denn den kenne ich entweder selbst nicht, oder es gibt ihn eben einfach nicht.

Ich mag Kinder! Wirklich! Sehr sogar! Und nein, keine Sorge, ich hatte keine schreckliche Kindheit. Klar, gab es Ärger, manchmal vielleicht auch ein bisschen mehr – aber bei wem nicht? War der richtige Mann noch nicht da? Mann hin oder her, den Kinderwunsch sollte Frau doch schon selbst haben, für sich, so ganz alleine, oder?

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Ich beneide EUCH!

Schlussendlich ist es auch egal, denn es ist nun mal wie es ist: Ich will keine Kinder. Ich habe keine und zumindest letzteres ist alleine meine Entscheidung gewesen. Trotzdem beneide ich euch auch, liebe Eltern.

Darum, dass ihr euch über dieses Thema vielleicht nie so den Kopf zerbrechen musstet, sondern es einfach wolltet.

Darum, dass ihr einen anderen Menschen gefunden habt, mit dem ihr euch auf so ein großes Wagnis einlassen wolltet.

Darum, dass ihr gar keine Zeit habt, euch ständig um euch selbst zu drehen, den Kopf über euch oder eure Aufgabe in der Welt zu zerbrechen.

Darum, dass ihr ihnen Fahrrad fahren beibringen dürft. Dass ihr ihnen eure Vorstellungen, Ideen und Werte weitergeben könnt. Dass ihr dabei zuschauen könnt, wie sie wachsen, lernen und zu kleinen Persönlichkeiten werden.

Darum, dass ihr euch in ihnen selbst erkennt. Dass ihr – zumindest für eine Weile, alles für sie seid.

Darum, dass ihr euch sicher nicht beim Gedanken ertappt, ob ihr wohl mit 90 im Altenheim denkt: Hätte ich mich damals doch anders entschieden…

Ich könnte mit dieser Liste noch ewig weitermachen. Ich weiß sicher nicht, wie euer Leben genau ausschaut und wie schwer der Rucksack ist, den ihr gerade mit euch herumtragen müsst. Dafür weiß ich: Freiheit ist viel. Aber eben auch nicht alles. Und mein Rucksack ist manchmal euer Familienglück.

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Fotos: Peak Performance / Joonas Linkola & Mattias Larsson

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