Es sind die wilden 80er und 90er. Der Gelände-Grobstollen-Radtrend schwappt aus den USA, dem Geburtsland des Mountainbikens, nach Europa und damit auch zu uns ins Allgäu. Ich erinnere mich noch genau, als mein Vater eines Tages mit einem neuen Magazin namens Bike nach Hause kommt. Seiten voll mit diesen neuen Geländefahrrädern mit breiten Stollenreifen, coolen Typen in quietschbunten Klamotten und Wahnsinns-Bildern vom zukünftigen, europäischen Bike-Mekka, dem Gardasee. Ich bin total angefixt. Ich will erstens unbedingt ein solches Rad haben. Und zweitens muss ich schnell zu diesem Gardasee, und diesem Tremalzo Pass, der in dieser ersten Ausgabe der Bike beschrieben wird. Als mein Vater ein paar Wochen später mit seinem ersten Mountainbike, einem Centurion Kathmandu nach Hause kommt, ist der Mountainbike-Virus in unserer Familie endgültig ausgebrochen. Den Sommer und Herbst 1989 überbrücke ich noch mit dem Rad meines Vaters, sehr zu seinem Leidwesen, und Testrädern unseres ersten Bikeladens, bis ich mir endlich im Frühling 1990 mein erstes eigenes Bike, ein Centurion Stratos, aufbauen lasse. Finanziert habe ich es durch den Verkauf meines Flügelhorns und durch Zeitungsaustragen. Ein paar Jahre später richtet der lokale Bike-Shop auf unseren Hometrails am Burgberg einen Stopp der Grundig Top Ten Cup Rennserie in den Disziplinen Cross Country und Downhill aus. Die damalige internationale Bikeszene mit ihren Stars wie Thomas Frischknecht, Ned Overend, John Tomac, Susi Buchwieser, Regina Stiefel, Jürgen Beneke und Co. geben sich die Ehre. Noch heute hängt in meinem alten Kinderzimmer ein Giro Helmüberzug mit den Unterschriften meiner Vorbilder aus den 90er Jahren.
„Ich bin dann immer durch die Bike-Shops geschlichen und habe das geile Material angehimmelt. Selber konnte ich mir nur ein Baumarktrad leisten, da wir zu Hause die Kohle nicht hatten.“
Ähnlich wie mir ergeht es zur gleichen Zeit Sören Zieher in Ravensburg. Auch er entdeckt in seiner Kindheit und Jugend die Begeisterung für das Thema Mountainbiken und zählt ähnliche Stars zu seinen Idolen wie ich. Darunter auch die damalige Ausnahme Downhillerin und Exotin Missy Giove, die als Markenzeichen einen ausgetrockneten Piranja um ihren Hals trägt. Wie ich tingelt auch Sören durch die lokalen Bike-Shops und himmelt die Marken und Räder an, die damals vorwiegend aus den USA kommen und unerreichbar sind. Auf einer der ersten Eurobike-Messen in Friedrichshafen erlebt er zum ersten Mal die Szene und ihre Helden live und hautnah. Er ist fasziniert. Jedoch lässt mit der Zeit sein Interesse für den Mountainbikesport nach und Aggressive Inline Skating, vor allem in der Ramp, und Snowboarden rücken in den Vordergrund.
Sören ist 23 Jahre alt, als er sich beim Snowboarden das Kreuzband verletzt. Bei seiner Reha steht auch Radfahren auf dem Programm. Er findet zurück zum Radeln und entdeckt dabei den Spaß am Ausdauertraining für sich. Nach Abschluss seines Medien-Studiums in Ulm zieht er zu seiner Freundin nach Köln, ein Meilenstein aus privater wie auch radtechnischer Sicht. Denn Köln zählt damals zu einer der deutschen Hochburgen für Radsportkultur, mit einer sehr aktiven Szene, vielen Radclubs und dem ältesten deutschen Eintagesrennen „Rund um Köln“. Der perfekte Mikrokosmos für Sören und seine wachsende Radleidenschaft. Er fängt als Projektmanager in Düsseldorf an.
„42 Kilometer einfach. Anfangs fahre ich einmal im Monat, dann zwei, drei, viermal und plötzlich zwei bis dreimal die Woche, hin und zurück. Die Räder werden dabei im Laufe der Zeit immer sportlicher und die Reifen schmäler. Begonnen hat aber alles auf dem Trekkingrad.“
Je öfter Sören mit dem Rad zur Arbeit pendelt, umso fitter wird er. Er kauft sich sein erstes Rennrad, obwohl er bis dato Rennradfahren und die hautengen Lycra-Klamotten ziemlich uncool findet, und geht im Jahr darauf beim „Rund um Köln“-Jedermann-Rennen an den Start. Er wird auf Anhieb 15., in engen Lycras und mit rasierten Beinen. „Rasierte Beine“, so sagt er, „sind die Eintrittskarte in den Rad-Club“, und eine der 95 Velominati Rules. Die Velominati Rules sind vermutlich nicht ganz ernst gemeinte, aber umso unterhaltsamere Regeln im Rennradsport, die ich vor Sören auch nicht kannte, wie ich zugeben muss. Sörens Freundin ist allerdings alles andere als begeistert davon und findet die baby-po-glatten Beine anfangs sehr befremdlich. Sören wächst mehr und mehr in die lokale Radszene hinein, wird Teil davon, lernt viele Leute kennen und baut sich darüber einen engen Freundeskreis auf, mit dem er fortan jedes Wochenende unterwegs ist und ein Rennen nach dem anderen bestreitet. Für seine Verhältnisse ist er sehr erfolgreich, fährt eine Top10- und Top 20-Platzierung nach der anderen ein, entwickelt sich schnell zu einem der stärksten Fahrer seines Clubs und hat vor allem extrem viel Spaß.
Die meiste Zeit sitzt Sören auf dem Rennrad. Nur hin und wieder widmet er sich seiner alten Liebe, dem Mountainbike. Das hat auch seinen Grund, wie er verrät: „Mit meinen fast zwei Metern Länge habe ich mich nie richtig wohlgefühlt auf den 26 Zoll Laufrädern. Eigentlich komme ich mir richtig affig vor.“
Mit dem 29er Trend, der ab 2010 verstärkt aus den USA nach Europa schwappt, rückt das Thema Mountainbike wieder mehr in den Vordergrund und markiert für Sören den Startpunkt für seine spätere Marke VPACE:
„Das erste 29er war eine Offenbarung für mich. Es war wie die Übertragung des Rennradfahrens aufs Gelände. Ich wollte unbedingt ein 29er, das so direkt wie ein Rennrad ist. Von Berufs wegen bin ich ja Grafik-Designer. Also habe ich mich zu Hause hingesetzt und den ersten Carbon-Rahmen mit Carbon-Starrgabel entworfen. Es war für mich im Endeffekt besser als jedes Cycle Cross Rad. Dass es im technischen Gelände seine Grenzen hat, war mir damals noch nicht bewusst, aber ich fand es einfach unendlich geil im Gelände Rennrad zu fahren.“
Nach schwierigen und langwierigen Google-Recherchen beauftragt er einen asiatischen Produzenten mit der Produktion seines ersten Prototypen, ohne jemals vor Ort gewesen zu sein. Die anfängliche Angst, dass die Vorauszahlung im Sande verlaufen könnte und er nie mehr etwas von dem Produzenten hört, erweist sich glücklicherweise als falsch.
„Beim ersten Mal war es spannend. Du zahlst Geld an und hoffst, dass du irgendetwas irgendwann mal wieder zurückbekommen wirst.“
Sören reicht sein 29er-Konzept beim Brand New Award 2013 auf der Ispo Bike ein und wird als zweitbester Newcomer prämiert. So fängt alles an, zu Hause im Mietshaus in Köln, in der Garage. Noch im gleichen Jahr beginnt Sören mit der Suche nach einem Hersteller für Titanrahmen. Denn sein Radkumpel Michael und er wollen ein Trainingsrad für den Winter, das robust ist, nicht zu schwer und auch bei Nässe und Schmutz gut bremst. Außerdem sollte man richtige Schutzbleche daran befestigen und breitere Reifen mit bis zu 28 Millimeter fahren können.
Der Speed Traveller, quasi der Urvater des Gravel Bikes ist geboren, eine Mischung aus Rennrad und Crossrad, bereits mit mechanischen Scheibenbremsen ausgerüstet, was 2013 ein Novum ist. Bis heute ist es das erfolgreichste Modell der noch jungen VPACE-Produktpalette. „Mein Kumpel Michael fährt noch heute jeden Tag mit dem ersten Modell von damals von Köln nach Bonn, Winter wie Sommer. Der Inbegriff des Commuters“, so Sören ein bisschen stolz.
Sören ist ein Autodidakt, was das Bike-Business angeht. Er ist branchenfremd, hat kein Vorwissen, keine Prozesskenntnisse und keine Kontakte zu Produzenten, lediglich eine Vorstellung von der Geometrie und dem Design des Rahmens. Was er jedoch im großen Stil hat ist Idealismus und Bock die Dinge so zu machen, wie er sie cool findet, ohne darüber nachzudenken, was vielleicht einmal daraus werden könnte.
Begeistert von der Bremskraft der Scheibenbremsen an seinem Speed Traveller macht sich der schwäbische Rad-Nerd in Asien auf die Suche nach einem neuen Carbonrahmen-Produzenten. Dieser soll ihm nach seinen Vorgaben in Geometrie und Design einen Rennradrahmen mit dazugehöriger Carbon-Gabel fertigen, an der Scheibenbremsen befestigt werden können. Nach langer Suche findet er einen Produzenten, der das entsprechende Know-How hat und ihm einen Prototypen baut. Der erste große Stresstest für das neue Carbon Rennrad mit 140 Millimeter Scheibenbremsen findet beim berühmten Ötztaler Radmarathon statt. Sören bewältigt die 5.500 Höhenmeter bergauf und vor allem auch bergab erfolgreich, vermutlich als erster auf einem Rennrad mit Scheibenbremsen.
Sören designt Räder, lässt sie in Asien nach seinen Vorgaben produzieren und baut sie in Köln in seiner Garage individuell für Freunde und Bekannte aus der Radszene auf. Das Ganze passiert neben seinem Fulltime-Job als Projektmanager, abends und am Wochenende. Auch wenn ihn manche belächeln, lässt er sich nicht beirren seine Vision und kreative Ideen auszuleben. Die stetig wachsende Nachfrage nach seinen Custom Bikes gibt ihm recht und ist Ansporn weiterzumachen, obwohl die Doppelbelastung zusehends zur Herausforderung wird. Er programmiert die erste Website, setzt seine Räder fotografisch in Szene und baut mit Hilfe von Social Media, allen voran Facebook und Instagram, digital Reichweite auf und damit die eigene Marke.
Von Anfang an ist klar, dass es einen Markennamen braucht. Sören überlegt lange hin und her. Soll es sein Name sein oder ein anderer? Nur wenn es nicht sein Name ist, welcher dann und wofür soll dieser stehen? Welche Werte und Eigenschaften sollen mit ihm assoziiert werden? Er landet schließlich bei APACE – etwas mit hoher Geschwindigkeit machen. Jedoch gibt es schon nach kurzer Zeit Ärger, denn die tschechische Billig-Fahrradmarke APACHE meldet über einen Patentanwalt eine Markenrechtsverletzungsklage an. Sören muss den Markennamen ändern, was sich letztendlich als glückliche Fügung herausstellt. Denn fast niemand weiß, wie man APACE richtig ausspricht und es kommen die wildesten Sprach-Kreationen zustande. Da Sören sehr pragmatisch ist, dreht er kurzerhand das A zu einem V um und aus APACE wird VPACE. V steht für Velocity (Geschwindigkeit) aber auch für We (Community).
Die Garage und der Keller in Köln werden zu klein, da immer mehr Material und Rahmen dort lagern sowie Prototypen und on-top noch ein Dutzend eigener Räder. Die Überlegung steht im Raum zu 100 Prozent auf VPACE zu setzen und in richtige Firmenräume zu investieren. „Mein Traum war es schon immer einen Ort für Fahrradliebhaber zu schaffen, eine Mischung aus Café, Showroom und Shop. So etwas gibt es bis heute noch nicht in Köln.“ Die Mietkosten in Köln sind jedoch sehr hoch im Vergleich zu seiner Garage und schrecken Sören letztendlich ab. Mit Geburt seines Sohnes im Jahr 2014 kommt Bewegung ins Spiel, die Karten mischen sich neu und eine neue Option steht im Raum, nämlich der Umzug zurück in den Süden. 2015 ist es soweit, die Entscheidung ist gefallen. Sören und seine kleine Familie ziehen zurück in die Heimat. Aus dem bisherigen Nebenprojekt VPACE wird ein Vollzeit-Einzelgewerbe mit den ersten eigenen Räumlichkeiten mitten in Ravensburg, die Sören für wenig Geld zur Zwischennutzung anmieten kann. Neben den Custom Carbon und Titan Bikes wird die neue VPACE Zentrale zum Treffpunkt der lokalen Rad-Szene.
Mehr und mehr Radbegeisterte, die auf Custom Bikes und kleine, feine Marken stehen, entdecken VPACE für sich. „Die Fangemeinde wächst. Plötzlich sind es nicht mehr nur die Freunde und Freunde von Freunden, von denen man so gut wie alle selber kennt, sondern plötzlich kommen auch Fremde auf dich zu, die cool finden, was du machst. Da spürst du, dass da Potenzial für mehr ist.“ Und da ist mehr, wie zum Beispiel das Gravel Bike Thema, das Sören schon seit 2013 bewegt, als er für seinen Kumpel Michael und sich den ersten Speed Traveller aus Titan entwickelt hat, quasi eine Art Gravel Bike.
In den USA gibt es bereits zu diesem Zeitpunkt die ersten Gravel Grinder Races, die Sören mit großem Interesse verfolgt. Mit dem Umzug in den Süden bringt er diese Bewegung 2015 nach Deutschland und organisiert den ersten Bodensee Gravel Giro. Damit wird er zum Vorreiter dieses Trends in Deutschland. Und wieder einmal macht Sören einfach das, worauf er Lust hast, probiert aus und schaut was passiert. Im ersten Jahr radelt er zusammen mit 25 Gleichgesinnten seine vorab ausgearbeitete Route ab und lässt den gemeinsamen Tag beim Grillen samt Hopfenbrause am VPACE Headquarter ausklingen. Im zweiten Jahr sind die 100 ausgeschriebenen Startplätze innerhalb weniger Stunden vergeben. Seitdem pilgert die deutschsprachige Gravel Community jedes Jahr nach Ravensburg zum familiären Bodensee Gravel Giro und feiert das Gravel Biken mit einer anspruchsvollen 100 Kilometer Runde, feinstem Barista Kaffee, der unterwegs für gute Stimmung und den nötigen Extra-Push sorgt, bevor dann beim abschließenden BBQ alte Heldengeschichten ausgetauscht werden.
Bereits zu Kölner Zeiten kommt Tim auf Sören zu. Beide kennen sich vom Radfahren. Er hat die Idee eines sportlichen Mountainbikes für Kinder. Sören will sich nicht verzetteln und wiegelt ab. Doch Tim lässt nicht locker und meldet sich wieder als Sören bereits in Ravensburg ist. Dieses Mal ist er hartnäckiger, denn er braucht jetzt für den eigenen Junior Max ein Mountainbike. Sie verabreden sich auf der Eurobike und Tim erzählt ihm von seinem neuartigen Kinder-Bike-Konzept. Es setzt auf dem 29er Geometrie-Prinzip auf, umgesetzt mit einem hochwertigen Rahmen und entsprechenden, leichten Anbauteilen und angeboten zu einem erschwinglichen Preis. Sören ist begeistert: „Den Ansatz finde ich mega cool. Das passt voll in mein 29er-Konzept. Also, lass es uns zusammen machen.“ Noch am selben Tag durchstöbern die beiden gemeinsam die Asia-Hallen auf der Eurobike auf der Suche nach einem potentiellen Partner. In der darauffolgenden Zeit arbeitet Sören Tims Idee aus, entwickelt sie weiter, setzt sie um und macht sie groß. Max24 wird im Winter 2016 geboren und Sören wird quasi zum Geburtshelfer. Da der echte Max wächst, wächst auch das Kinder-Rad Portfolio von VPACE.
Ein wichtiges Kriterium des neuen Kinder-Mountainbike-Konzepts ist, dass die Räder leicht sind. Aus Preisgründen kommt Carbon und Titan nicht in Frage, da die Räder auch nicht utopisch teuer werden dürfen. Also fällt die Wahl auf Alu als Rahmenmaterial. Bei Alu geht es jedoch um Stückzahlen und die sind anfangs klein. Deshalb ist die Marge in den Anfängen auch miserabel und die Kids-Bikes für Sören eher ein Karma-Projekt, als ein einträgliches Geschäftsmodell. Das sollte sich allerdings im Laufe der Zeit ändern.
Nachdem das Bike Magazin ein Max24 testet und begeistert ist von dem Rad, werden immer mehr radverrückte Eltern auf VPACE aufmerksam. Trotz des für Kinderräder verhältnismäßig hohen Preises wächst die Nachfrage. Max wächst auch und so folgen auf das 24 Zoll ein 26, ein 27,5 und schließlich auch ein 29 Zoll mit 29 Zoll Laufrädern. Da der echte Max auch immer mehr Spaß am Droppen und roughen Terrain hat, entwickelt Sören für ihn Moritz, ein leichtes Trail Fully mit 120 Millimeter Federweg, das ebenso auf dem 29er Prinzip basiert und gerade einmal 10,7 Kilogramm auf die Waage bringt. Es ist als 20 und 24 Zoll Rad erhältlich. Mittlerweile gibt es das Moritz auch als Enduro Bike mit 140 Millimeter Federweg in den Größen 26 und 27.5. Für den Downhill orientierten Nachwuchs gibt es seit 2023 das Kinder Downhill Bike Fred mit einem Federweg zwischen 150 und 180 Millimeter Federweg, abhängig von der Laufradgröße.
„Mit wachsender Modellvielfalt und Stückzahl habe ich gemerkt, dass auch etwas hängen bleibt. Die Mühe zahlt sich aus.“
VPACE wächst. Die Nachfrage wird immer größer und aus der bisherigen One-Man-Show Sören wird eine One-and-a-half-Man-Show. Er stellt seinen ersten Mitarbeiter ein, der ihn beim Schrauben und Räderaufbauen unterstützt. Auch die Lagerfläche am bisherigen Firmensitz wird allmählich zu klein und Sören fängt an sich nach Alternativen umzuschauen, zumal der jetzige Standort von Anfang an nur zur temporären Zwischennutzung ausgeschrieben war, da der Vermieter das Grundstück in naher Zukunft neu bebauen wird.
Doch es kommt alles ganz anders. Es ist die Nacht vor dem Gardasee Bike Festival 2018. Sören steigt früh morgens aus der Dusche, macht sein Handy an und wird bombardiert von unzähligen Nachrichten und entgangenen Anrufen. Die erste SMS, die er liest ist von seinem Vermieter: „Ruf mich zurück, dein Laden brennt.“ Völlig perplex und geschockt springt er ins Auto und fährt zur Firma. Da ist bereits alles abgesperrt, die Polizei vor Ort, überall Schläuche und die Feuerwehr, die versucht die Brandherde zu bekämpfen. Es ist allerdings nicht mehr viel zu retten. Alle Showbikes, aufzubauenden Rahmen, Laufräder und Anbauteile samt Einrichtung und PCs sind vernichtet. Auch die italienische Siebträgermaschine, Sörens großer Stolz, ist Geschichte. Einzig ein Teil der Lagerware, die sich im ersten Stock befindet, kann gerettet werden. Der Schaden ist riesig und der Schock sitzt tief. Vor allem als klar ist, dass es sich um Brandstiftung handelt. Hat es jemand auf ihn abgesehen? Hat er etwa Feinde?
Im Zuge der Ermittlungen rückt auch Sören schnell ins Visier der Kripo. Als sich jedoch herausstellt, dass Sören unterversichert ist, kommt er als Verdächtiger nicht mehr in Frage. Die Angst und Ungewissheit jedoch, ob jemand ihnen etwas antun könnte, verfolgt die Familie über viele Monate. Bis heute ist nicht geklärt, wer das Gebäude in Brand gesteckt hat.
Sören lässt sich von all dem nicht unterkriegen. Noch am selben Tag entscheidet er mit VPACE weiterzumachen. Er schickt seinen damaligen Praktikanten mit den letzten drei verbliebenen Custom Bikes sowie drei Kids Bikes, die er zum Glück am Vortag bereits in den Hänger für Riva geladen hatte, zum Bike Festival. Zu Hause unterm Dach richtet er sich ein behelfsmäßiges Not-Office ein, kauft sich einen neuen Laptop und drückt den Reset-Knopf. Glücklicherweise liegen alle Daten auf einer externen Cloud und fielen nicht dem Feuer zum Opfer. Zwei Monate nach dem verheerenden Brand läuft die Produktion wieder an und VPACE nimmt Fahrt auf. Der Zuspruch von Kunden, Freunden und der Radsportszene ist riesig und motiviert Sören ungemein. Es läuft besser denn je. Sören stockt Schritt für Schritt die Anzahl seiner internen Mitstreiter auf und beschäftigt mittlerweile vier Angestellte. So bietet jede Krise auch eine Chance und Sören packt sie am Schopf.
„Im Grunde habe ich schon immer das gemacht, was mich interessiert. Das waren zufälligerweise oft auch Dinge, die später vielleicht mal zu Trends wurden. Wie zum Beispiel das Gravel Biken. Dass das das Thema mal so Fahrt aufnehmen wird, hätte ich nie gedacht,“ erzählt Sören. Dinge anders machen als die breite Masse steckt tief in Sören drin und bestimmt damit auch die DNA von VPACE und seine Vision: „Meine Vision für VPACE ist, für feine Sonderlösungen im Radbereich stehen, sich vom standardisierten Einheitsbrei absetzen, indem man Räder anbietet, die technisch wie optisch individuell sind, so nicht überall erhältlich und ganz wichtig, vom Preis her noch akzeptabel sind. Bei den Kinder-Bikes ist ganz klar der Anspruch, die besten Bikes mit dem besten Preis-Leistungsverhältnis anzubieten und diese so zu konzipieren und auszustatten, dass man sie auch als Erwachsener gerne fahren würde.“
Die größte Herausforderung für Sören aktuell, einmal abgesehen vom Corona-Virus und all seinen Begleiterscheinungen, ist das Loslassen. Hatte er bis vor kurzem noch fast alles selber gemacht, so ist es heute aufgrund der Größe von VPACE nicht mehr möglich. Das heißt er muss Aufgaben und Verantwortung an seine neuen Mitarbeiter abgeben und lernen, das auch als Erleichterung zu sehen.
Nach seinen Träumen gefragt, ist es noch immer das Fahrrad-Café und dass VPACE nicht nur Anlaufpunkt als Showroom für Fahrräder ist, sondern vielmehr ein Ort an dem Radsportkultur und der dazugehörige Lifestyle gelebt wird, wie zum Beispiel bei Look Mum No Hands in London oder anderen Radsport Cafés rund um den Globus. Und so wie ich Sören einschätze, kriegt er das auch noch hin. Eine gute Siebträgermaschine hat er jedenfalls schon.