Warum kaufst du ein Produkt? Zum Beispiel eine Outdoor-Jacke? Klar, weil sie dir gefällt. Der Preis spielt vermutlich auch eine Rolle und natürlich die Qualität – beim Thema Outdoor selbstverständlich auch die Funktion. Aber dann kommt noch etwas anderes dazu: Das Gefühl, welches dir diese Jacke vermittelt. Das Image der Marke, mit dem du dich identifizieren kannst und das du, indem du die Jacke anziehst, weiter trägst und mit dem du dich schmückst. Auf den Websites der Firmen wird das Gefühl, das transportiert werden soll, unter dem Reiter „über uns“ verpackt in wohlklingende Worte von Abenteuer, Freiheit und immer häufiger auch von Nachhaltigkeit als Unternehmensphilosophie festgeschrieben. Produkte und Marken, die ihre Philosophie glaubwürdig transportieren, begleiten einen oft viele Jahre. Die Glaubwürdigkeit einer solchen Markenphilosophie hängt sicherlich zum einen von einem guten Marketing ab, zum anderen aber auch davon, ob ihre Werte auch wirklich im Unternehmen gelebt werden oder ob sie nur als schmückendes Etikett auf Produkte gepappt werden.
Wenn man wie Peter Räuber, einer der beiden Maloja-Gründer, bei seinem früheren Arbeitgeber, einer Sportbekleidungsfirma, nicht in der Snowboard-Hose ins Büro kommen darf, dann ist ziemlich klar, dass alle Philosophie nur Show ist. Peter wollte es bei seiner eigenen Marke von Anfang an anders machen, authentischer. Doch was heißt das überhaupt „authentisch“? Wie ist eine wirklich authentische Marke? Und widersprechen sich Authentizität und wirtschaftlicher Erfolg nicht vielleicht sogar? Bei Maloja war das Geld zumindest nicht die vordergründige Motivation für die Gründung:
„Maloja ist entstanden, um Leben und Arbeit besser zu verbinden. Wenn ich mir überlege, wieviel Zeit ich hier im Büro verbringe und wie viel Zeit privat noch bleibt, wenn ich die Schlafenszeit abziehe, dann verbringe ich ganz schön viel Zeit in der Firma. Und dann finde ich, muss sich das gut anfühlen und fein, ethisch und ehrlich zugehen. Und am Anfang wollte ich nur eine Sommerkollektion machen, damit ich im Winter frei habe und Snowboarden kann.“
Fein geht es im Maloja-Büro in Bach bei Rimsting am Chiemsee für das motivierte Team, das die Gründer Peter Räuber und Klaus Haas um sich versammelt haben, ganz offensichtlich zu. Die umgebaute Scheune ist ein Arbeitsplatz, von dem viele Office-Opfer aus der Großstadt höchstens träumen. Mittags bereitet eine Köchin für die ganze Belegschaft frisches, regionales Essen zu.
Peters Ursprungsplan im Winter frei und Zeit zum Snowboarden zu haben, ging allerdings trotzdem nicht ganz auf: Nur zwei Winter konnte er die Textilproduktion in Portugal per Telefon aus Tiefschneehängen betreuen. Im dritten Jahr war die Nachfrage der Händler nach einer Maloja-Winterkollektion so groß, dass sich Peter und Klaus von den Vorteilen einer Ganzjahreskollektion überzeugen ließen.
Vorher lernt Peter aber noch, dass man mit Authentizität und Ehrlichkeit immer gewinnt: Ein Termin mit Mercedes steht an, der Autobauer hat Interesse an einer gemeinsam produzierten Bike-Kollektion. Doch über Nacht fallen 40 Zentimeter Neuschnee, Peter ruft die Geschäftspartner in Spe an, prognostiziert „Verkehrschaos“ und verschiebt den Termin um eine Woche. Eine Woche später dasselbe Spiel, wieder Neuschnee, doch diesmal lassen sich die Herren von Mercedes nur auf den Nachmittag vertrösten. Peter fährt also am Vormittag mit seinen Freunden am Wendelstein ein paar Powderruns und kommt entgegen seiner sonstigen Gewohnheiten zehn Minuten zu spät zum Termin:
„Ich wusste, da stehen zwei Typen von Mercedes, in meiner Phantasie im Anzug mit Aktenkoffer, in einem E-Werk in Bad Endorf, wo wir uns damals eingemietet hatten, zwischen Baggern und Baumaschinen und niemand ist da. Ich komme zu spät, im verschwitzten T-Shirt mit einem sonnenverbrannten Gesicht und habe mich nur entschuldigen können und sie bitten, dass sie mir trotzdem eine Chance geben. Das haben sie und da ist mir klar geworden, wie weit man in der Snowboardhose kommt und dass es keine Rolle spielt.“
Mit Maloja wollten sich Peter und Klaus aufs Kerngeschäft konzentrieren, deswegen kam die Mercedes-Zusammenarbeit für sie nicht in Frage. Doch Peters Frau arbeitet mit ihrer Agentur Räuberbande bis heute mit dem Autobauer zusammen.
Solche Erfahrungen bestärken Peter und Klaus darin, weiterhin ihre eigenen Wege zu gehen, dieses Prinzip in die Unternehmensphilosophie zu schreiben und nur Dinge zu tun, hinter denen sie voll und ganz stehen können. Deswegen hat Maloja zwar mittlerweile nicht nur eine Bike-, sondern eine Ganzjahreskollektion, aber eben nur für Sportarten, für die die Firmengründer selbst eine Leidenschaft hegen: Mountainbiken, Rennradfahren, Klettern, Freeriding, Skitourengehen und Langlaufen. Ein sportliches Portfolio, das in dieser Zusammensetzung weltweit einzigartig ist. Auch wenn schon Fragen nach Segel- und Golfbekleidung von Maloja laut wurden, die Marke konzentriert sich auf Aktivitäten am Berg, schließlich finden sie den direkt vor der Haustüre in Bach bei Rimsting am Chiemsee. Der Berg und die Heimat, das ist der Kleber, der Maloja zusammenhält und auch diese Heimatverbundenheit ist nicht nur ein aufgeklebtes Etikett, das gerade in Mode ist, sondern ergibt sich aus der Vergangenheit des Ideengebers Peter.
Peter ist, genau wie Klaus auch, in einfachen Verhältnissen aufgewachsen. Peter macht eine Ausbildung zum Feinmechaniker. Später baut er Verpackungsanlagen in ganz Europa, fährt jeden Monat zig tausende Kilometer. Wenn er Freitag nachts zuhause ankommt, muss er sich erholen, nur um sich Sonntag wieder ins Auto zu setzen und mehrere Stunden auf der Straße zu verbringen. Mit 20 Jahren verdient er doppelt so viel wie seine Freunde, aber daheim ist er nie.
„Meine Freunde haben währenddessen die Zeit ihres Lebens gehabt. Sie haben einfach gelebt. Heute habe ich eine Wegfahr-Phobie. Ich mag nicht mal mehr über den Irschenberg fahren und im Süden ist Salzburg die Grenze.“
Die Heimatliebe verbindet den kreativen Kopf Peter und den Chef übers Kaufmännische Klaus und findet sich deshalb auch in den ersten Maloja-Kollektionen wieder. Maloja ist wohl die einzige Firma, die ein übergreifendes Thema über ein ganzes Jahr und alle Produkte zieht. „Das erzeugt jedes Jahr eine gewisse Aufregung, hält die Marke attraktiv und spannend“, sagt Klaus. Die erste Kollektion vor 14 Jahren war Soul in the Woods, später kommt Alp Appeal und HiSociety. Bevor die neun Designer mit einer Kollektion loslegen, werden sie mit einem Inspirationsbuch auf eine Linie, eine gemeinsame Handschrift für diese Kollektion eingeschworen. Für die Kollektion HiSociety, die sich dem Lebensraum auf 1.400 bis 2.000 Metern Höhe widmet, hat die komplette Maloja-Crew auf Peters Wunsch eine Woche bei der Bergbauernhilfe in Südtirol Sozialarbeit geleistet. In Bach bei Rimsting am Chiemsee ist während dieser Zeit alle Arbeit liegen geblieben und nur der Anrufbeantworter gelaufen.
„Da war der Klaus mal wieder am Limit mit mir. Aber wenn du eine Kollektion dem Bergbauerntum widmest, mit Blusen und Schürzen mit Mustermix und sehr trachtig, dann kann das nicht nur so ein Marketinggerede sein, dann musst du das auch mit Werten und Inhalten füllen. Deswegen war das nur anständig dahin zu gehen, ein Stück weit Abbitte zu leisten um das Thema dann auch authentisch rüber zu bringen.“
Die Authentizität kommt an, die Kollektionen Alp Appeal und HiSociety sind extrem erfolgreich. Zur selben Zeit boomt jedoch auch der Alpenkitsch:
„An den Tankstellen hast du nur noch Landliebe gesehen. Plötzlich gab es bei anderen Firmen fürs Biken Dirndlblusen und Lederhosen auf Lycra gedruckt. Es war klar, die Leute schieben uns in eine Schublade: Die trachtige Sportmarke aus dem Chiemgau. Auch wenn ich kein strenger Traditionalist bin, war das für mich nicht akzeptabel. Ich möchte die Tracht respektieren.“
Maloja denkt sich also etwas Neues aus. Oder eigentlich gar nicht: Sie ändern nur den Standort, gehen tausende Kilometer weiter westlich in das Gebirge von Peru und Bolivien und taufen ihre nächste Kollektion nach dem Glauben der indigenen Völker, nach der personifizierten Erdmutter: Pachamama. Maloja trifft damit eigentlich den Zeitgeist: Damals war Ethno auf den Laufstegen in New York, Tokio und London ein großes Thema. Doch für eine Sportbrand aus dem Chiemgau kommt die Kollektion zu früh, Händler und Kunden waren überfordert. Die sämtliche Produkte und ein ganzes Jahr übergreifenden Kollektionsthemen sind auch ein Risiko:
„Ich muss überzeugt sein von der Kollektion, ich habe mir schon wochenlang den Kopf zermartert. Wenn eine erfolglose Kollektion mal richtig erfolglos ist, dann bleibt nicht mehr viel von all dem Schönen, was wir hier haben.“
Jetzt gerade, im Frühjahr 2018, wechselt Maloja wieder den Kontinent. Diesmal geht’s mit Motiven wie Wellen, Blüten und Libellen und bequemen, weit geschnittenen Hosen ganz in den Osten: nach Japan. Auch das Asien-Thema inspiriert vom japanischen Zen-Buddhismus ist modisch am Puls der Zeit, dennoch spielt die Funktion seit dem ersten Tag von Maloja eine große Rolle, „denn nur cool sein als Marke, das reicht heute nicht mehr“, sagt Klaus. „Wir besetzen Nischen und das auch sehr konsequent.“ Maloja setzt dabei auf die Zusammenarbeit mit Profisportlern, wie zum Beispiel der deutschen Nationalmannschaft im Skibergsteigen oder der Mannschaft vom RSV Irschenberg, den Maloja Pushbikern. Ganz nach dem Motto: Was Profiansprüchen genügt, stellt Hobbysportler mehr als zufrieden. Drei Jahre stecken die Designer von Maloja zum Beispiel in die Entwicklung einer ausgeklügelten Kollektion für Straßen-Rennradler. Der nächste logische Schritt: ein Langlauf Rennanzug, der in der Kategorie „Outdoor Layer XC“ aufgrund seiner hohen Funktionalität erst kürzlich den ISPO Award 2018 gewonnen hat.
So früh Maloja mit dem ein oder anderen Modethema dran war, so spät hat die Marke mit der Kommunikation der Herkunft und Nachhaltigkeit ihrer Produkte begonnen. Dabei ist Nachhaltigkeit seit Beginn ein Prinzip der Firma, das Motto der ersten Kollektion „Soul in the Woods" ist zum Leitmotiv geworden: Maloja engagiert sich sozial, hat lokale Partnerschaften, pflegt seine Beziehungen zu Lieferanten, sogar ihren Arbeitern und Familien, über viele Jahre, verarbeitet Produkte möglichst dort, wo sie auch hergestellt werden, hat eine eigene Produktionsstätte in Bulgarien aufgebaut und ist Systempartner von Bluesign, dem weltweit strengste Standard für Umwelt-, Arbeits- und Verbraucherschutz in der Textilindustrie.
„Für uns war das immer eine Selbstverständlichkeit, deshalb haben wir das nie kommuniziert. Aber mittlerweile gibt es so viele Nachfragen und eine große Unsicherheit bei den Kunden, dass wir es jetzt auf unserer Homepage kommunizieren. Aber wir werben nicht damit und machen auch kein Marketing dazu.“
Die Marke Maloja lebt so sehr von den Persönlichkeiten und Charakteren der Menschen, die dahinter stehen, dass man Peter, Klaus und das komplette Team, klonen müsste, wenn man Maloja den Erfolg abspenstig machen will. Die beiden Firmengründer, die einen Umgang pflegen, der wie in einer guten Ehe die Stärken des jeweils anderen schätzt und ihm seine Schwächen verzeiht, denken derweil aber schon über die Zeit nach Maloja nach, wenn sie die Marke in die Hände ihres geschätzten Teams legen können. Dann wenn Klaus die Meere umsegelt und Peter alternative Wohnkonzepte für alte Menschen entwickelt – auf dem Land, mit vielen unterschiedlichen Generationen unter einem Dach, nachhaltig und natürlich immer noch mit dem Berg vor der Haustüre.
Wie man ohne kaufmännischen Plan eine Firma gründet, welche Rolle Klaus Future dabei gespielt hat und welche Bike-Legende der erste Besucher aus Maloja-Stands auf der Eurobike war: Lies den Anfang der Unternehmensgeschichte.