Geduld ist eine Tugend. Eine Tugend, die sicherlich nicht zu meinen Stärken gehört. Alle die mit mir schon einmal einen Surftrip gemacht haben – allen voran meine beste Freundin – wissen das. Ich wache meistens unglaublich früh auf und habe dann genau ein Ziel: Surfen. Raus aus dem Schlafshirt, rein in den Bikini oder Wetsuit, Zink ins Gesicht, auf dem Weg zum Spot schnell ein Schokoriegel. Fängt dann jemand an, gründlichst sein Board zu wachsen oder irgendetwas zu suchen, trete ich ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Es fällt mir unglaublich schwer in diesen Momenten meine Ungeduld und meinen Unmut über unnötige Trödelei zu verbergen.
Die Angst, etwas zu verpassen
Mein Problem hat jetzt auch einen hippen Namen: the fear of missing out. Und natürlich ist diese fear bezeichnend für meine Generation. Nun ja, ich bin sowieso ein typischer Vertreter dieser häufig beschriebenen Generation: Ich will etwas Sinnvolles tun, nicht nur arbeiten, auch meinen Leidenschaften nachgehen. Wenn mich also dann jemand genau daran hindert, werde ich gerne etwas grantig.
Als Surfer ist man aber nunmal abhängig vom Wetter und von den Wellen, die ja auch nur das Resultat des Wetters tausende Kilometer entfernt sind. Wind vom Land: gut, Wind vom Meer: schlecht. Keine Wellen: schlecht, zu große Wellen: auch schlecht – jedenfalls für mich. Die Wellen in Europa sind leider nicht annähernd so konsistent wie etwa in Indonesien oder auf meinem letzten Trip in Mittelamerika. Ich war einen ganzen Monat unterwegs und nur einen Tag nicht im Wasser, weil die Wellen an diesem Tag mit 13 Fuß dann doch etwas zu hoch für mich waren. Im Vergleich zu Europa sind das echte Luxusprobleme: Der Sommer ist hier in punkto Wellen doch eher mau oder bloß was für Longboarder. Richtig feuert es dann erst im Herbst, Winter, Frühling und das auch nicht immer, wie ich feststellen musste. Der Forecast ändert sich sowieso ständig. Entweder hat man Pech oder man hat weniger Glück, richtig gut ist es nur sehr selten, so scheint es.
14 Stunden Autofahrt – und Wellen wie im Bodensee
Da ich nicht ständig um die Welt fliegen kann und mag, muss ich mich näher an zuhause nach Wellen umschauen. Die erste Lektion in Geduld sind bereits die 14 Stunden Autofahrt von der Schweiz nach Südfrankreich. Ist man angekommen, kann es passieren, dass der Forecast sich ganz plötzlich geändert hat und nach einem wunderbaren Surftag mit feinen Wellen und Sonne eine Woche Regen und Sturm folgt. Dann pilgert man die Küste hinauf und hinunter, studiert Karten, den Wetterbericht, den Surf Forecast, die Gezeiten, nur um dann in dreckigem Hafenwasser von riesigen onshore Guillotinen verhauen zu werden. Oder man läuft frühmorgens motiviert über die Düne, nur um festzustellen, dass man schon höhere Wellen am Bodensee beobachten konnte. Zirbenschnaps und unüberschaubare Mengen an Chocolatines helfen auch nur kurzzeitig gegen den Frust. Also füge ich mich in mein Schicksal und übe mich in Gelassenheit. Denn – und das ist ja der entscheidende Punkt – ändern kann ich es sowieso nicht. Auf wen sollte ich auch sauer sein? Petrus? Neptun? Poseidon?
Zwar bin ich immer noch diejenige, die morgens die Augen rollt, wenn jemand ewig nach seinen Sachen sucht, meine Schritte beschleunigen sich immer noch, kurz bevor ich den ersten Blick auf die Wellen erhaschen kann. Aber ich hadere etwas weniger, wenn mich dort verblasenes oder flaches Meer erwartet. Ich kann verregnete Down Days jetzt etwas entspannter genießen, ein Buch lesen, während der Regen auf die Zeltwand prasselt. Und wenn ich mit allen meinen guten Vorsätzen dann doch ab und an scheitere, und mir die ungeduldige Fiona nicht verkneifen kann, dann gibt es in der Region ja vorzügliche Rotweine.
© Christian Riefenberg, Johannes Hohfeld und Fiona Stappmanns