Der Hüttenwirt pflaumt dich an, weil du auf die unglaublich dumme Idee kamst, seine Hütte aufzusuchen, um dort zu übernachten und zu allem Überfluss auch noch etwas zu Essen und Trinken zu bestellen. Das Essen ist dann nur eines: schrecklich, die Getränke überteuert und über den Zustand der Schlafhöhle ist man erst sprachlos, später schlaflos. Auf solche – leider nicht ganz seltenen – Hüttenerlebnisse kann man nur zu gerne verzichten.
In der Nürnberger Hütte auf 2.297 Metern in den Stubaier Alpen finde ich genau das Gegenteil. Mit der Hütte und den Wirtsleuten Martina und Leo verbindet meine Familie seit einem einschneidenden Erlebnis vor ein paar Jahren so etwas wie eine Freundschaft. Während ein Teil von uns der Berghütte seitdem jedes Jahr mindestens einmal einen Besuch abstattet, war es dieses Jahr das erste Mal für mich. Zuvor wurde mir jedes Jahr aufs Neue die urige Hütte, die Schönheit der alpinen Landschaft, die lockenden Gipfelziele wie der 3.418 Meter hohe Wilde Freiger, die netten Wirtsleute und das leckere Essen schmackhaft gemacht. Ich hielt es lange für ein wenig übertrieben, nach meinem ersten Besuch muss ich zugeben: Sie hatten tatsächlich uneingeschränkt Recht, die Nürnberger Hütte ist ein besonderer Ort.
Alle, die sich auf der Nürnberger Hütte um das Wohl der Wanderer, Bergsteiger und Kletterer kümmern, sind ausgesprochen freundlich und hilfsbereit, behalten auch im größten Stress die Ruhe und Übersicht und vermitteln mir das Gefühl, dass ich hier wirklich willkommen bin. Hier darf man Gast sein und ich spüre, dass die anwesenden Gäste das auch wahrnehmen und zu schätzen wissen. Denn als plötzlich am Abend bei vollbelegter Hütte zur Essens-Rush-Hour der Strom ausfällt und damit alle elektrisch betriebenen Küchenhelferlein auch, kommt es zu einer großen Verzögerung bei den warmen Gerichten, aber keiner aus der hungrigen Bergsteiger-Meute verliert ein böses Wort. Man bestellt einfach gleich noch ein Bier, weil sieben Bier sind bekanntlich ja auch ein Schnitzel...
Und apropos Schnitzel: Das Essen ist wahnsinnig lecker. Man schmeckt, dass Martina und ihre Küchen-Crew alles mit Liebe frisch aus lokalen Zutaten zubereiten. Fast alle Lebensmittel kommen vom eigenen Bio-Hof im Tal, ob Fleisch oder Kartoffel, Apfel oder Joghurt, Salat oder Graukäse. Alles was der Hof nicht oder nicht in ausreichender Menge hergibt, wird von Kollegen aus dem Stubaital oder zumindest aus Tirol bezogen. Die Spinat- oder Kasnocken werden von Hand gedreht und die Schlipfkrapfen mit drei unterschiedlichen Füllungen sind ebenso selbst gemacht wie die Bratkartoffeln zum Wiener Schnitzel. Die kommen nämlich nicht fertig geschält und geschnitten aus der Tüte, sondern vom eigenen Acker, werden gekocht und geschält bevor sie dann in Butter frisch gebraten werden.
Während ich am letzten Tag meines Ausflugs mit Hüttenwirt Leo, der auch Bergführer und bei der Bergrettung ist, vor der Küche auf der Bank in der Sonne sitze, schält er wieder mal einen riesen Berg Kartoffeln. Er erzählt mir von seiner Kindheit hier oben auf der Hütte. Wie sich seitdem die Natur verändert, Gletscher verschwinden und durch die Erosion alte Wege unpassierbar werden, aber auch neue eisfreie Übergänge, wie zum Beispiel nach Südtirol, entstehen. Bereits in vierter Generation bewirtschaftet seine Familie die Nürnberger Hütte. 1914 übernimmt Leos Ur-Oma das Regiment auf der 1886 erbauten Alpenvereinshütte, die auf dem Stubaier Höhenweg liegt und mittlerweile 130 Personen Platz bietet. Mit Leos Kindern Magdalena, Johanna und Serafin wächst die fünfte Generation heran, die ihre Eltern bereits tatkräftig und mit Freude in der Küche und in der Wirtsstube unterstützt. Damit ist die Zukunft für das gelebte Konzept zu Gast bei Freunden gesichert.
Ich komme nächstes Jahr wieder. Und bis dahin mache ich meinen Freunden die Nürnberger Hütte, die Tour auf den Wilden Freiger und die Steinbockbegegnung schmackhaft.
Lage
Die Nürnberger Hütte liegt im hinteren Stubaital, auf dem Stubaier Höhenweg. Der schnellste Zustieg startet südlich von Ranalt, bei der Bushaltestelle Nürnberger Hütte. In rund zweieineinhalb Stunden erreicht man über das Langental und die Bsuchalm die DAV Alpenvereinshütte der Sektion Nürnberg.
Anreise
Mit dem Auto über die Brenner Autobahn A13 bis zur Ausfahrt Schönberg und von dort aus noch 24 Kilometer durch das Stubaital bis zur Bushaltestellte Nürnberger Hütte, südlich von Ranalt. Dort kann auch geparkt werden. Von Innsbruck aus erreicht man in 70 Minuten mit dem Bus Nummer 590 der Innsbrucker Verkehrsbetriebe ebenfalls den Ausgangspunkt der Tour. Abfahrt ist am Innsbrucker Hauptbahnhof.
Unterkunft
Die alpine Schutzhütte bietet von circa Mitte Juni bis Anfang Oktober rund 130 Personen Platz, verteilt auf vier urige Gaststuben. Übernachtet werden kann in Zwei, Vier- und Sechsbett-Zimmern (Platz für circa 55 Personen) und in Lagern mit acht bis 13 Betten (Platz für circa 87 Personen). Außerhalb der Bewirtschaftungszeit bietet der im Nebengebäude untergebrachte Winterraum sechs Personen Unterschlupf. Unter der Telefonnummer +43 (0) 664 16 57 461 erreicht man die Hütte direkt und bekommt alle wichtigen Infos über Bettenverfügbarkeit, Wetter und Zustand von Wegen und Übergängen. Über das Online Reservierungsportal des DAV kann direkt gebucht werden.
Eine Übernachtung kostet für Erwachsene Alpenvereinsmitglieder zwischen 9 Euro und 11,50 Euro im Lager und 15,50 Euro im Zimmer.
Essen
Man kann entweder à la Carte essen oder für 31 Euro die Halbpension wählen. Diese besteht abends aus drei Gängen plus Salat vom Buffet und einem Verdauungsschnaps. Morgens erwartet einen ein reichhaltiges Frühstücksbuffet mit Kaffee oder Tee. Nachmittags gibt es eine Auswahl an verschiedenen frisch gebackenen Kuchen.
Ausstattung
Es gibt nach Geschlechtern getrennte Waschräume und WCs, fünf Warmwasserduschen, einen 220 Volt Stromanschluss, einen Boulderwand und einen Winterraum im Nebengebäude für sechs, maximal acht Personen, ausgestattet mit Feuerholz, Geschirr und Besteck, einer Toilette und Wasserzugang am Bach bei der Terrasse.
Touren
Die Hütte eignet sich nicht nur als Übernachtungsstation auf dem rund 100 Kilometer langen Stubaier Höhenweg, sondern auch als mehrtägiger Stützpunkt, um die zahlreichen Gipfel der unmittelbaren Umgebung zu besteigen – allen voran der Wilde Freiger, mit seinen 3.418 Metern der zweithöchste Berg der Stubaier Seven Summits. Weitere lohnende Touren führen auf die Feuersteine, das Gamsspitzerl oder die Maierspitze.
Seit 2015 ist der Übergang zur Treblitzer Hütte im Südtiroler Ridnauntal über die Rotgradscharte durchgehend markiert und ist bis auf ein kurzes Stück nordseitig unterhalb der Scharte komplett eisfrei begehbar.
Infos über die aktuellen Zustände der Wege, Übergänge und Gletscherpassagen erhält man bei Hüttenwirt Leo.
Die Nürnberger Hütte auf Facebook.
Mehr Info unter www.nuernberghuette.at.