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Wieso umkehren manchmal schwerer ist, als weiter zu gehen.

Aufgeben ist manchmal schwerer, als weiter machen, egal wie hart es ist. Am Berg, und im Leben. Denn Aufgeben heißt, dass man seine selbstgesteckten Ziele nicht erreicht hat. Outville Kontributorin Fiona Stappmanns wird auf einer anstrengenden Skihochtour vom Wetter zur Umkehr gezwungen und fragt sich: Wieso tue ich mir das eigentlich an?

Da stehe ich nun, der Rucksack drückt auf die Schultern, mein Rücken schmerzt mittlerweile, atmen fällt mir schwer, von der Höhe, vom Aufstieg auf das Joch. Meine Füße und Finger habe ich das letzte mal heute morgen im Schutzraum so richtig gespürt. Und ich sehe zu, wie trotz der für heute versprochenen neun Stunden Sonnenschein, die Wolken so schnell und dicht hereinziehen, dass ich schon nach einer Minute kaum mehr die Hand vor Augen erkenne. Es beginnt leicht zu schneien. Ich schaue zu den Anderen, ratlose Blicke, Enttäuschung, Hoffnung, dass es doch sicher gleich wieder aufzieht. Immerhin strahlen hinter uns die Berge der nächsten Kette noch unter blauem Himmel und prallem Sonnenschein. Gerade konnten wir noch einen kurzen Blick auf unser Tagesziel erhaschen, keine 250 Höhenmeter trennen uns vom Gipfelschnaps, vom persönlichen Triumph, über uns selbst, die Kälte, die Anstrengung. Jetzt liegt vor uns nichts als konturloses Weiß, fast am Ziel und doch endlos weit weg. In die Stille hinein mischt sich die Erkenntnis, dass es wohl nichts wird mit dem Gipfel heute. Ich sehe an den Gesichtern der beiden Jungs, dass sie zum gleichen Schluss kommen. Aber was nützt der angepriesene wunderbare Rundumblick, wenn die Sicht keine zwei Meter weit reicht? Was nützt die anspruchsvollere Abfahrt über den Gletscher, wenn die Chance in eine Spalte zu fallen bei dieser Sicht einem russisch Roulette gleicht?

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Grenzüberschreitung – körperlich und psychisch

Doch sollten all die Strapazen sollten umsonst gewesen sein? Die frostige Nacht in der Schutzhütte bei mehr als 20 Grad unter Null Außentemperatur. Der schwere Rucksack mit der hochalpinen Ausrüstung? All die Höhenmeter nur um jetzt wenig spektakulär über den recht flachen Gletscher abzufahren? Der Schnee ist fantastisch, alles was fehlt sind ein paar Meter zur sehr viel spaßigeren Abfahrt. Deswegen sind wir ja schließlich hier, oder? Jetzt wo ich diese Zeilen schreibe, stellt sich mir die Frage, ist es das, was uns motiviert? Ist es der Triumph? Der Gipfel? Die Abfahrt? Ja, auf jeden Fall. Aber ist da nicht noch mehr? Ist nicht auch der Weg das Ziel? Die gesamte Erfahrung? Eine gute Zeit mit guten Menschen? Ich denke, das ist für jeden sehr individuell und darüber nachzudenken bringt einen auch ein Stück näher zu sich selbst und näher zu den Menschen, die einen begleiten. Man trifft gemeinsam Entscheidungen, so wie jetzt die Entscheidung umzukehren. Man leidet, friert, freut sich zusammen. Das Gehen in einer Seilschaft bedeutet so viel mehr, absolutes Vertrauen. Losgelöst vom Alltag lernt man sich auf einer anderen Ebene kennen. Wer denkt schon an seine Steuererklärung, während man einen schmalen Grat traversiert? Wer denkt schon an all seinen Kummer, an das Alltägliche, wenn man die letzten Schritte zum Gipfel geht? Es ist ein auch Weg seine Grenzen auszutesten. Und an diese gelange ich recht oft auf solchen Touren, wie der zur Hohen Wilde. Mal körperlich, mal psychisch, aber immer habe ich das Gefühl, ein Stück zu wachsen, ein Stück mehr zu dem Menschen zu werden, der ich sein will.

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Skihochtour Hohe Wilde – Tourenbeschreibung

Sicherlich kein einfaches Unterfangen, dafür ist die Skihochtour zur Hohen Wilde (Nordgipfel 3458 m) im Ötztal landschaftlich äußerst reizvoll. Wir starten im Skigebiet von Obergurgl und fahren ab dem hohe Mut Lift (2.670 m) in freies Gelände in Richtung Schönwieshütte (2270 m). Dort fellen wir auf und folgen dem Weg in Richtung Langtalereckhütte (2450 m), durch etwas Auf und Ab macht man hier etwas mehr Höhenmeter als zunächst gedacht. An der Hütte erfolgt eine kurze Abfahrt, bevor es in der beeindruckenden Schlucht der Gurgler Ache wieder bergan geht, das Stück auf den Gletscher ist recht steil und erfordert sichere Spitzkehrentechnik. Auf dem Gurgler Ferner angekommen, können wir auch bereits unser Tagesziel, das Hochwildehaus sehen. Zwar kann man die Tour auch an einem Tag gehen, stressfreier ist es aber, wenn man im dortigen Winterraum übernachtet. Es geht anfangs recht flach über den Gletscher, bis zu einem kurzen, knackigen Anstieg zur Hütte. Dort befindet sich auch der bestens ausgestattete Winterraum in der alten Fidelitashütte (2883 m) neben dem Hochwildehaus. Die Fidelitashütte gehört zur DAV Sektion Karlsruhe und kostet acht Euro pro Person und Nacht. Dafür bietet sie zwölf Schlafplätze, Decken, sowie einen gemütlichen Ofen, genug Brennholz und Geschirr. Von der Fidelitashütte sind es noch circa 500 Höhenmeter Richtung Gipfel. Es geht direkt in Richtung des Sattels rechts vom Annakogel. Hier ist es sicherlich ratsam ein Seil dabei zu haben und einen Klettergurt zu tragen um im schlimmsten Fall die Spaltenbergung zu erleichtern. Am Sattel auf etwa 3200 m geht es entspannt bis zum Skidepot und von dort die letzten Meter 150 Höhenmeter zum Gipfel zu Fuß. Das letzte Stück ist ausgesetzt und erfordert absolute Trittsicherheit, je nach Verhältnissen sind auch Steigeisen und Pickel empfehlenswert. Es gibt zwei Abfahrtsvarianten: eine etwas anspruchsvollere über eine steilere Rinne auf den stellenweise recht spaltigen Langtalferner oder entlang der Aufstiegsspuren.

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Profile Fiona

Fiona schreibt ihre Doktorarbeit über Nachhaltigkeit in der Outdoor Industrie und arbeitet als Fotografin. Dass man da des Öfteren für Feldstudien in die Natur muss, versteht sich von selbst. Ob Mountainbiken, Wandern, Klettern, Splitboarden oder Surfen, so richtig Spaß hat sie erst, wenn die Mutter daheim in Ohnmacht fallen würde, wüsste sie was ihr Sprössling treibt. Ist sie nicht gerade am Meer, lebt Fiona in Innsbruck und St. Gallen. Dabei stets im Gepäck: Schweizer Schoggi und ihre Kamera.

Chris_Riefenberg

Christian ist mit 18 Jahren dem Norddeutschen Flachland Richtung Berge entflohen. Anfangs vor allem dem Winter hinterher gereist, begeistert er sich seit einigen Jahren fürs Surfen an Stränden, die normalerweise nicht auf der Bucket List von Touristen stehen. Durchs Reisen hat Chris die Fotografie für sich entdeckt, die bald darauf zu seiner festen Arbeit wurde. Mit einer Liebe für unwegsames Gelände und dem Motto „Heimat ist ein Gefühl und kein Ort“ steht Chris gerade erst am Anfang seiner Reise. Derzeitiger Aufenthaltsort ist Innsbruck oder ein Zelt in den Bergen.

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