Sind wir mal ehrlich, mir fallen auf Anhieb jede Menge Argumente gegen den Gardasee ein. Zu voll, zu touristisch, zu deutsch – um nur drei zu nennen. Neulich hat mich eine Kollegin nach Tipps für ihren Trip an den Gardasee gefragt. Meine Reaktion: „Jetzt an den Lago? Willst du dir das wirklich antun?!?“
Aber trotzdem: Jedes Jahr bin ich wieder dort. Mindestens einmal. Nicht gerade im August, aber im Frühling und im Herbst. Vor allem letzterer kann am Gardasee ausgesprochen schön sein. Und wie toll er doch ist, der Blick, wenn man von Nago die Straße richtig Torbole fährt. Ich bin immer wieder ganz verliebt.
Das Lago-Syndrom
Der trails.de Macher Ralf Glaser nennt es in seinem neuen Guide „das Lago-Syndrom“ und schlägt vor per Crowdfunding eine Studie zu finanzieren, die das Phänomen Gardasee soziologisch sauber analysiert. Denn allein mit rationalen Argumenten sei die Vorliebe der Deutschen für den Gardasee nicht zu begründen, schreibt er. Klar, der Gardasee ist mit dem Auto gut zu erreichen, das oberitalienische Klima liefert warme Temperaturen bis weit in den Herbst und der See selbst hat natürlich auch seine Reize. Surfer und Kletterer finden je nach Passion entweder recht zuverlässig Wind oder dutzende Routen.
Der Gardasee durch die Mountainbike-Brille
Aber, wenn man sich den Gardasee durch die Bikebrille genauer anschaut, dann kann man den Lago-Hype erst einmal so gar nicht verstehen – schreibt Ralf Glaser. Denn die Berge am Gardasee sind steil, sehr steil. Der Altissimo di Nago hat zum Beispiel eine Höhe von 2080 Metern. Bei der Auffahrt vom auf 60 Metern Meereshöhe gelegenen Torbole erwartet einen also eine knackige Steigung. Und ist man endlich oben, ist definitiv keine Entspannung angesagt. Der grobe Gardasee-Schotter ist legendär. Die Trails sind steil, verblockt, ausgesetzt – für den Mountainbiker, wie Ralf Glaser sogar schreibt, „eher ein Mittel zur Entwöhnung“.
Gardasee-Trails, eine harte Schule
Ich saß am Gardasee zum ersten Mal überhaupt auf einem Mountainbike als ich etwa zwanzig Jahre alt war. Vor jeder Stufe und anspruchsvollen Stelle bin ich abgestiegen und habe sie erst einmal zu Fuß inspiziert, um sie dann viel zu langsam und wie ein Hase hinunter zu hoppeln. Es war eine harte Schule, aber überraschenderweise bin ich dabei geblieben – beim Mountainbiken und beim Lago. Trotzdem: Trails, wie den Coast Trail, muss ich mir wirklich nicht geben und auch wenn mich technische Herausforderungen reizen, macht mir eine Mountainbiketour einfach mehr Spaß, wenn sie wenigstens ein bisschen Flow bietet und nicht nur total verrückt ist.
38 unbekannte Trailperlen
Wem es ähnlich geht, der sollte sich „Trentino Trails!“ von Ralf Glaser besorgen. In dem Guide hat er nicht die zwar legendären, dafür aber altbekannten Killer-Klassiker des Lagos versammelt, sondern 38 versteckte Trail-Perlen im Trentino. Viele davon wurden noch in keinem Bike-Guide beschrieben, so dass selbst der eingefleischte Lago-Fan noch Unbekanntes findet – vor allem, wenn er auch mal für einen Tag auf den direkten Seeblick verzichtet. Die Ausblicke werden dadurch nicht unbedingt schlechter.
Flow am Lago di Cavedine und am Monte Zunga
Die Touren in „Trentino Trails!“ bleiben gardaseetypisch anspruchsvoll – leichter als mittelschwer ist am Lago eben einfach nicht drin. Mehr Flow als Klassiker wie der Monte Baldo bieten die im Buch beschriebenen Trails, zum Beispiel um den Lago di Cavedine, aber allemal. Wer Luca von .
Enduro-Paradies Terlago
Im kleinen Örtchen Terlago fanden schon zwei Enduro-Wettkämpfe statt – und trotzdem sind die Trails der hügeligen Hochebene oberhalb von Trento immer noch recht unbekannt, Mountainbiker trifft man hier selten. Das mag eher daran liegen, dass sie sich wegen der schieren Menge an Trails ganz gut verteilen, als an der Trail-Qualität: Denn wer den Enduro Style mag wird hier definitiv nicht enttäuscht. Von Flow bis zu technischem Anspruch auf Trails mit so schönen Namen wie Massacro oder Vertigini, auf deutsch Höhenangst, ist so ziemlich alles geboten. Der Lago di Terlago ist zudem ein netter Ausgangspunkt, vor allem wenn man Hochspannungsleitungen und Wakeboard-Anlage ausblenden kann.
Legale Trails inklusive GPS-Tracks
Zu allen Touren in „Trentino Trails!“ sind die GPS Tracks und Smartphone-Karten auf trails.de verfügbar und im Buchpreis von 29,80 Euro inbegriffen. Und noch einen entscheidenden Vorteil hat der Guide: Alle im Buch beschriebenen Touren sind legal befahrbar. Das ist nicht unbedingt selbstverständlich, denn am Gardasee herrscht immer noch Unklarheit über die Rechtssituation von Mountainbikern. Zwar gilt seit 2018 die Regelung, dass Fahrverbote ausgeschildert sein müssen, das heißt aber im Umkehrschluss noch lange nicht, dass ungekennzeichnete Wege bedenkenlos befahrbar seien. Das komplette „Trentiner Trail Tohuwabohu“ inklusive seiner Genese beschreibt Ralf Glaser ausführlich in seinem Guide und appelliert daran, Verbote zu achten, um es den Locals nicht noch schwerer zu machen und die Fronten nicht zu verhärten.
Über die erwähnten Trails und Gebiete hinaus war Ralf Glaser für „Trentino Trails!”noch in Comano Terme, Paganella und Trento unterwegs.