Schlepplifte, die über die Rollen der Stütze rattern. Skirennen. Tiroler Dialekt, der blechern und gut gelaunt aus einem Megafon plärrt. Medaillen an rot-weißen Bändern. Kaiserschmarrn oder Pommes mit Ketchup. Dazu der künstliche Geschmack von Himbeersirup. Verstrubbelte Haare. Rote Nasen und glückliche Eulen-Gesichter. Vollgekleckerte Anoraks. Fäustlinge an Schnüren. Nasse Skischuhe. Dringend aufs Klo müssen – aber nicht wollen. Der Geruch von Sonnencreme. Das Knistern von Bonbonverpackungen.
Ja, skiing was my first love.
Eigentlich ist das eine glatte Lüge und dieses heimelige, wohlige, unbeschwerte Kindheitsgefühl, das mich im Rückblick überkommt, ist wohl stark gefiltert durch ein nostalgisches und melancholisches „Früher war alles besser“. Zu Beginn, im Alter von drei Jahren, fand ich Skifahren ziemlich blöd – zumindest erzählen mir das meine Eltern. Eigentlich müsste dieser Text ihren Berichten zufolge mit „Auf dem Hosenboden Schneehügel vor der Hütte runterrutschen was my first love“ überschrieben sein. Skikurs fand ich doof. Ich bin so oft aus dem Schlepplift gefallen, dass mich mein Skilehrer nicht mehr erkannt hat und vehement abstritt, dass ich in seiner Gruppe bin. Irgendwann standen vier, fünf Menschen in roten Overalls um mich herum, redeten von oben auf mich herunter und präsentierten verschiedene, mögliche Skilehrer:innen. Ein heute irgendwie immer noch ziemlich verstörendes Erlebnis. Auch in Gondeln einzusteigen war mir höchst suspekt. Dass sie fast vierzig Jahre später eine beruhigendere Wirkung auf mich haben werden als jede Yoga-Session, das habe ich damals nicht kommen sehen.
Skiing was my first love. Auf Hütten sitzen. Mitgebrachte Wurschtbrote. Und JEDEN TAG Schokolade danach! Jedes Jahr durfte ich einmal im Urlaub Germknödel bestellen. Der zuhause von Bofrost war dagegen eine Frechheit.
Den Skipass ausfahren
Skiing was my first love. Pistenrutschen. Hoch und runter. Bis 16 Uhr den Pass ausfahren. Auf Teufel komm raus. Egal ob Eiskratzen oder Slalom um hochhaushohe Sulzhaufen. Egal ob Sonnenschein oder so starker Nebel, dass man nicht mehr weiß, wo oben und unten ist.
Skiing was my first love. Vor der Anreise hat mein Vater den Luftdruck in den Reifen geprüft und gefragt wo „seine Papiere“ sind. Dann gings von Bamberg Richtung Süden. Knapp fünf Stunden aus dem Fenster guggen. Auf dem Mittleren Ring durch München. Hauptzollamt. Grün gelbe Lärmschutzwände. Jedes Mal die Diskussion, ob über den Fernpass gefahren wird oder über Innsbruck. Dabei wurde es sowieso immer der Fernpass. Pause in Nassereith. Und wieder vorbei am „Eieiei, warum vorbei“-Schriftzug am Hotel Lamm in Tarrenz. Irgendwann geh ich rein, irgendwann ganz bestimmt.
Schnee, das kostbare Gut
Skiing was my first love. Dieser Sport, der heute eigentlich nicht mehr geht, wenn man ein Mensch mit ökologischem Bewusstsein ist. Damals schon wurde mir klar, dass Schnee ein kostbares Gut ist. In einem schlechten Winter stapften wir über schwarze Gummimatten zurück zum Lift, der uns von der Bergstation ins Tal brachte, weil die Talabfahrten braun waren. Ein Jahr später stand an der selben Stelle eine neue Gondel, die das Stapfen unnötig machte.
Skiing was my first love. Und wo ich es gelernt habe, fühle ich mich bis heute mehr zuhause, als irgendwo anders auf der Welt. Einer der schönsten Orte überhaupt. Dabei ist das ursprüngliche Dorf auf dem Hochplateau mittlerweile ein Skigebiet der Superlative, das es den Wintergäst:innen für fast 60 Euro Skipasspreis am Tag so angenehm wie möglich macht: Kein Meter Schieben, Stapfen oder Aufsteigen ist notwendig, die Pisten sind perfekt präpariert und die Beschneiungsanlage deckt ferngesteuert auch den letzten Winkel ab. Sitzheizungen sind Standard, Sterneküche auf über 2.000 Metern zum Glück nur optional. All das kann man – muss man vielleicht sogar – kritisch sehen.
And it'll be my last.
Und trotzdem: Skiing was my first love. Und jedes Jahr bin ich wieder GENAU hier und blicke vom Balkon auf GENAU diese eine Bergkette, die ich sogar aus dem Flugzeug erkenne. Weil Skifahren so viel mehr ist, als nur ein Sport. Menschen, die das nicht erlebt haben, werden es vermutlich nicht verstehen. Und das ist auch ok.
Aber für mich gilt: Skiing was my first love. And it’ll be my last. Und ich werde dann, steinalt und senil, im beheizten Sessellift Menschen, die es nicht hören wollen, erzählen, wie es hier vor 70 Jahren ausgesehen hat – und natürlich alles viel besser war.
Dieser Text ist auch im Mountain Girls Buch der Munich Mountain Girls erschienen.